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Energie und Ressourcen effizient nutzen

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Herbert Treutingern (li) und Dr. Michael Ettl auf der Baustelle
Herbert Treutingern (li) und Dr. Michael Ettl auf der Baustelle

„NExT Factory“ heißt das Projekt, mit dem sich die Schaltbau GmbH für neue Märkte rüsten will. Mit einem Investitionsvolumen von mehr als 55 Millionen Euro entsteht vor den Toren der Marktgemeinde das neue Leitwerk des Unternehmens voller Innovationen in der Gebäudetechnik und bei den Produktionsstandards. Damit sollen die Produktionsstückzahlen um mehr als gigantische 4000 Prozent gesteigert werden.

Allein die schiere Größe ist beeindruckend: Auf dem 30 000 Quadratmeter großen Grundstück laufen die Bauarbeiten auf Hochtouren, um die neue Produktionsstätte mit 22 000 Quadratmeter Nutzfläche im Zeitplan zu halten. In sieben Wochen soll das Richtfest gefeiert werden und am 4. Oktober soll hier die Produktion von elektromechanischen Komponenten für die Gleichstromtechnik beginnen.

Gesamtprojektleiter Dr. Michael Ettl hat mit einem fünfköpfigen Projektteam das Konzept der NexT Factory entwickelt. Es sei eine wichtige strategische Entscheidung gewesen, das neue Leitwerk in Bayern zu errichten, denn die Gruppe verfügt über 30 Vertriebs- und Fertigungsstätten weltweit.

Die Entscheidung habe zur Folge, dass in dem neuen Werk viele Abläufe automatisiert werden, um den Lohnkostenanteil im Branchenvergleich zu halten. Grundsätzlich geht man davon aus, dass die Zahl der Arbeitsplätze in Velden von 315 auf über 400 steigen wird, allerdings mit einem größeren Anteil an hochqualifizierten Arbeitsplätzen.

Denn während Schaltbau bisher ein spezialisierter Zulieferbetrieb für Gleichstrom-betriebene Schienenfahrzeuge und Verkehrstechnik war, erwachsen dem Unternehmen aus der zunehmenden E-Mobilität enorme Zukunftschancen. Als einer der wenigen Spezialisten für intelligente Energiekonzepte auf Gleichstrombasis ist die Schaltbau-Gruppe aber auch in den Bereichen regenerative Energie und „New Industry“ gefragt. Ettl geht in seinen Berechnungen deshalb davon aus, dass allein die Stückzahlen der Schaltbau-Schütze von heute 120 000 im Jahr in den nächsten fünf Jahren auf 5 bis 6 Millionen jährlich ansteigen werden.

Entsprechend groß war die Aufmerksamkeit der Planer bei der Logistik innerhalb des neuen Werks, der eine viel höhere Bedeutung zukommen wird. So werden die Größe, die Zahl der Stellplätze und Transporteinheiten im Neubau vervielfacht und die Abläufe mit künstlicher Intelligenz (KI) gesteuert.

Lagerarbeit wird von Robotern erledigt

Ein Großteil der Lagerarbeit wird von Robotern erledigt. Die Versorgung der Produktion im hermetisch abgetrennten Sauberraum mit den entsprechenden Bauteilen sowie das Abholen der fertigen Produkte erfolgt dann durch ein fahrerloses Transportsystem, dessen Beförderungsroboter unter der Decke laufen und damit den Betrieb am Boden nicht stören.

Nun lässt sich vermuten, dass so ein System sehr viel Energie benötigt. Aus diesem Grund haben Ettl und sein Team für das neue Werk einen CO2-freien Fabrikbetrieb als Ziel gesetzt. So soll die Photovoltaikanlage auf dem Dach jährlich 1900 Megawattstunden (MWh) erzeugen, 600 mehr als laut Berechnung benötigt werden. Damit möglichst viel von dem erzeugten Strom auch selbst verbraucht werden kann, sind große Batteriespeicher vorgesehen. Völlig neu ist außerdem die Idee, die beiden Löschwasserbehälter als thermische Speicher mit knapp 10 MWh Kapazität zu verwenden. Mit der überschüssigen Energie wird das Wasser über einen Wärmetauscher zwischen 8 und 14 Grad erwärmt und bei Bedarf wird diese Wärme dann wieder abgerufen. „Nachdem es für diese Technik noch keinen Standard gibt, mussten wir viel Zeit aufwenden, um eine Zulassung zu bekommen“, erzählte Ettl.

Ebenfalls technisches Neuland betritt die „NExT Factory“ mit der Verwendung von Gleichstromtechnik bei der Energieverteilung im Werk, das bis 2028 schrittweise zur Gleichstromfabrik umgebaut werden soll. Ettl erläutert die Vorteile an Beispiel eines Ladegeräts für E-Autos: „Der von einer PV-Anlage erzeugte Strom ist Gleichstrom, der über Zähler, Batterie und Ladegerät bis zum Auto viermal in Wechselstrom und wieder zurück gewandelt wird. Allein dadurch entsteht ein Verlust von rund 15 Prozent.“

Die Gleichstromtechnik habe zwar ihre Tücken, könne aber zum Beispiel bei Bremsvorgängen die Bremsenergie wieder ins Netz zurückspeisen. Durch diese Energierückgewinnung (Rekuperation) reduziere sich beispielsweise die Spitzenlast im Logistik-System von 150 Kilowatt auf 10 Kilowatt. Zwar gibt es kaum Normen und Zertifizierungen sowie Fachplaner und Installationsfirmen, aber, so Ettl, „wir haben die Erfahrung mit Gleichstromtechnik. “

Viele Details zum neuen Werk werden im Gespräch, an dem auch Herbert Treutinger als Mitglied des Projektteams teilnahm, nur gestreift: Insgesamt zwölf Lüftungsgeräte sorgen zum teilweise vierfachen Luftaustausch pro Stunde – hier wurde auf die Erfahrungen dem Coronavirus reagiert. Im Gebäudeinneren wird mit vielen Holzelementen eine natürliche Arbeitsumgebung geschaffen, die zudem über Sheddächer mit Tageslicht beleuchtet wird.

Moderne Lüftungstechnik und aktuelle Arbeitsformen

Beim Büro- und Verwaltungstrakt sind viele Überlegungen zu zeitgemäßen Arbeitsformen in die Planung eingeflossen. Themen wie Homeoffice, Desksharing (ein Büroarbeitsplatz wird aufgrund unterschiedlicher Anwesenheitszeiten von mehreren Mitarbeitern genutzt), kreatives, interdisziplinäres Arbeiten oder geschützte Kommunikationsflächen sollen bei der Ausstattung umgesetzt werden.

Das 300 Quadratmeter große Workcafe mit Sonnenterrasse soll mehr sein als nur eine zur Mittagszeit genutzte Kantine – Vortragssaal, Seminarraum oder Platz für Besprechungen.

Sehr zufrieden ist man bei Schaltbau mit der Termintreue des am Bau beteiligten Firmen: „Die machen einen Riesenjob“, sagte Treutinger.

Doch nicht alles läuft rund. Weil das erforderliche Material für die vorgesehene Fassadengestaltung derzeit nicht lieferbar ist, musste die Außenansicht umgeplant werden. „So ist das heute“, sagte Treutinger, „man schaut mal, welches Material man bekommen kann und macht dann dafür seinen Plan.“

Quelle: Vilsbiburger Zeitung - Lokalteil Velden vom 12. Februar 2022

Bild 1: Am weitesten gediehen ist der Bereich Lager und Logistik
Bild 2: Luftaufnahme der derzeitigen Baustelle für das neue Werk der Schaltbau GmbH

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